Das Bild La trahison des images von René Magritte[1] scheint auf halbem Weg zwischen Abstraktion und Realismus stecken geblieben. Das Spiel von Licht und Schattierung hebt die Rundungen der Pfeife aus dem Bild heraus. Bei schnellem Hinsehen wirkt diese plastisch, anfassbar. Sie tritt uns entgegen, erscheint uns. Doch bei genauerer Betrachtung häufen sich die Störungen dieser Körperlichkeit. Die Farben sind zu matt, die Form zu abstrahiert, die Lichtreflexe erübrigen sich in groben Helligkeitszonen. Das Bild der Pfeife ist realistisch genug um als solche erkannt zu werden. Es ist einer realen Pfeife ähnlich, es kann mit ihr, zumindest kurzfristig, verwechselt werden. Doch ist es ihr nicht zu ähnlich. Gleichermaßen wie es sich als Pfeife erkennen lässt es sich auch als Bild erkennen.

Dieser Doppeleffekt wird durch die Ikonographie des Bildes noch verstärkt. Von der hellen, gelblichen Fläche heben sich die dunkle, braune Pfeife und die schwarze Schrift deutlich ab. Der eintönige, jedoch nicht völlig uniforme, Hintergrund bietet keinen Kontext. Pfeife und Schrift schweben in der Zusammenhangslosigkeit des leeren Raumes. Die leichte Schattierung in Richtung der Ränder verstärkt noch die Fokussierung des Blickes auf diese Objekte und verleiht ihnen gleichsam eine leuchtende Aura. Diese Aura steht in starkem Kontrast zur Benjamin’schen Aura[2], unterstützt sie doch gerade die Stilisierung des Bildes zur reproduzierbaren Ikone. Es ist eine Aura, die ihrem Träger Authentizität raubt, nicht diese erst bedeutet.

Die Schrift selbst und ihr Inhalt sind der Fokus eines zweiten Blickes. Optisch deutlich kleiner, am unteren Rand des Bildes angeordnet und in einem eleganten, kaum den Fluss unterbrechenden Schriftbild liest sich, dass dies eben keine Pfeife sei: „Ceci n’est pas une pipe.“

Die Spannung des Bildes liegt nun primär in seiner Reduktion auf Bild und Schrift, und dem Verhältnis das sich zwischen ihnen auftut. Es ist ein dialektisches Verhältnis, die platte Schrift und das räumliche Bild, die Ähnlichkeit der Illustration mit der Pfeife und die Verneinung der Gleichheit durch den Text. La trahison des images ist ein Witz der optisch und literarisch funktioniert. Seine Pointe funktioniert nur in der Dialektik beider Bereiche. Ohne diese Dialektik fiele er flach.

 

Endnoten

[1] Magritte, René: La trahison des images. Öl auf Leinwand, 1928-1929, Los Angeles: Los Angeles County Museum of Art.

[2] Vgl. Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Stuttgart: Reclam 2011.

 

Das Titelbild ist eine digitale Reproduktion von La trahison des images. © Los Angeles County Museum of Art.