Rezension von Always on My Mind, Regie: Helen Parkes, Österreich 2013

Wie kann uns ein Bild zum Lachen bringen? Wie funktioniert der visuelle Witz?

Zunächst einmal funktioniert er unmittelbar. Wir sehen etwas und das löst etwas in uns aus, etwas bricht in uns, bricht aus uns heraus. Der visuelle Witz funktioniert nicht über Erklärungen, er funktioniert nicht logisch oder narrativ, er funktioniert körperlich. Wir sehen etwas, unser Körper reagiert. Er reagiert auf etwas, das er absurd findet; unmöglich, unnötig, unbekannt, fremd.

Der Kurzfilm Always on My Mind der Regisseurin Helen Parkes baut genau auf dieser körperlich gefühlten Absurdität auf. Parkes zeigt uns nicht nur wie die unmittelbare Körperlichkeit des visuellen Witzes durch filmische Mittel wie Schnitt und Ton unterstützt werden kann, sondern auch wie gerade die Absurdität dieses Witzes einen Ausgangspunkt bietet um einen ganzen Raum der Absurdität, ja eine verkehrte Welt[1] aufzubauen.

Der Film beginnt; Tableaus von regungslosen Gesichtern, von Menschen die starren; Im Hintergrund ein leises Pflop. Schnitt. Wieder still glotzende Menschen; Pflop. Schnitt. Eine junge Frau sitzt an einem Tisch und isst; Hinter ihr ein Mann, er klopft ihr mit dem Schirm auf den Kopf; Pflop; Sie stört sich nicht daran und schlürft ein Gläschen Sekt; Pflop … Pflop … Pflop …

Allein in dieser kurzen Anfangssequenz können wir sehen, wie geschickt Parkes ihr Medium einsetzt um den visuellen Witz, die Pointe dieser Sequenz vorzubereiten und zu unterstreichen. Die starren, absurden Tableaus befremden. Menschen, die nur reglos dasitzen und gaffen.[2] Ohne Reaktion, ohne Bewegung. Gleichzeitig machen sie uns aber auch neugierig. Worauf starren die denn, was gibt es da zu glotzen? Sie bereiten uns zweifach vor, indem sie einerseits den absurden Grundton vorgeben und andererseits Spannung erzeugen. Dazu im Hintergrund in gleich bleibendem, fast schon gnadenlosen Rhythmus dieses Pflop. Ein Geräusch, das wir nicht zuordnen können, gleichermaßen organisch wie mechanisch. Sein langsamer, gleichmäßiger Takt scheint irgendwo zwischen irritierend und beruhigend steckengeblieben. Wenn wir dann zum ersten Mal sehen wie der Schirm auf den Kopf der Frau trifft, das auditive Pflop endlich seinen visuellen Gegenpart, das Gaffen seinen Grund bekommt, ist es für uns de facto schon zu spät. Wir sind bereits in Parkes Falle getappt, das Lachen bricht aus uns hervor.

Eigentlich erstaunlich, dass dieser Film auf einer Kurzgeschichte basiert. „Da ist ein Mann, der die Gewohnheit hat, mir mit einem Schirm auf den Kopf zu schlagen.“ von Fernando Sorrentino, kann nicht die Direktheit des Bildes verwenden. Hier muss sich die Absurdität sprachlich ausdrücken. Dies gelingt, wirkt aber nach Kenntnis von Parkes Film irgendwie blutleer. Im Visuellen erhalten wir eine direkte Anbindung an die Situation, wir fühlen körperlich mit. Wir alle können, nein müssen uns vorstellen wie das wäre; diese ständige Irritation, etwas worüber wir keine Kontrolle haben und das ständig auf uns einwirkt.

Und genau mit diesem Gedanken hört der Witz auch auf nur noch Witz zu sein. Der Schirm wird zur sozialen Befremdung, zur psychischen Tortur, ja sogar zur existenziellen Frage. An ihn knüpfen sich Fragen der Gewalt, des Widerstandes, aber auch der Gewöhnung und Resignation. Parkes spannt an diesem scheinbar winzigen Punkt, dem Treffpunkt zwischen Schirm und Kopf, einen Raum auf, den der Film gar nicht zu füllen vermag, dies aber auch gar nicht erst versucht.

Parkes öffnet für uns eine Tür, ob wir hindurchgehen oder nicht, und was wir dahinter sehen bleibt unsere Sache.

 

Endnoten

[1] So auch der Name eines Kurzfilm-Programms im Wiener Topkino, im Rahmen dessen der Film kürzlich zu sehen war.

[2] Diese Tableaus erinnern an Fassbinders Angst Essen Seele auf, laut Regisseurin jedoch kein bewusster Bezug.

 

Das Titelbild ist ein Filmstill aus Always on My Mind. Österreich 2013. © Helen Parkes, via: http://www.cinemanext.at/film/always-on-my-mind.